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Diskussion zu: BauO NRW § 67: Wegfall des "Freistellungsverfahrens" ab 28.12.2017

Verfasst: 25.04.2017, 10:07
von al30@obk.de
Anm. S. Veelken:
Diese Diskussion wurde am 03.05.2017 aus dem Informationsbereich abgetrennt und hierher verschoben!

Sebastian Veelken (ursprünglicher Beitrag) hat geschrieben:
(...)
am 28.12.2017 tritt die neue Landesbauordnung NRW (BauO NRW) vom 15.12.2016 in Kraft und (...). Damit wird auch der derzeit noch geltende § 67 BauO NRW zum sog. Freistellungsverfahren ersatzlos entfallen.
Dies führt dazu, dass für entsprechende Bauvorhaben künftig immer ein (vereinfachtes) Baugenehmigungsverfahren durchzuführen sein wird. Eine gesonderte Übergangsregelung besteht nicht.
Der Städte und Gemeindebund NRW hat deshalb in seinem Schnellbrief Nr. 97/2017 Hinweise zum künftigen Umgang mit Bauvorhaben im Freistellungsverfahren gegeben (...):
Nach dem Außerkrafttreten von § 67 BauO NRW besteht kein Anspruch mehr, im Geltungsbereich von Bebauungsplänen genehmigungsfrei Wohngebäude errichten oder ändern zu dürfen. Vom Wegfall des Freistellungsverfahrens betroffen ist zugleich auch die Pflicht der Bauherrin oder des
Bauherrn, nach § 67 Abs. 5 BauO NRW die Fertigstellung bei der unteren Bauaufsichtsbehörde anzuzeigen. Ebenso entfällt die Verpflichtung, nach Fertigstellung Bescheinigungen von staatlich anerkannten Sachverständigen über die ordnungsgemäße Bauausführung und die stichprobenhaften
Kontrollen vorzulegen.
Dies führt ab dem 28.12.2017 zu folgender Rechtslage:
  • Fertig gestellte Vorhaben nach § 67 BauO NRW genießen nach diesem Zeitpunkt Bestandsschutz.
  • Noch nicht begonnene Vorhaben bedürfen vor Baubeginn einer Baugenehmigung.
  • Begonnene, aber noch nicht fertig gestellte Vorhaben würden ab diesem Zeitpunkt formell rechtswidrig errichtet werden. In einem einfachen Genehmigungsverfahren wäre dann zu prüfen, ob das materielle Recht eingehalten wird und folglich eine Baugenehmigung erteilt werden kann. Grundsätzlich müsste ein Vorhaben bis zum Abschluss dieses Verfahrens aber stillgelegt werden.
Insbesondere um die zuletzt genannten Folgen für die Praxis zu vermeiden, empfehle ich dringend, frühzeitig dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche Vorhaben, die im Rahmen des FreisteIlungsverfahrens gemäß § 67 BauO NRW durchgeführt werden sollen, in das Baugenehmigungsverfahren
verwiesen werden.
Hierzu wird von der Gemeinde innerhalb eines Monats nach Eingang der Bauvorlagen die Erklärung nach § 67 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauG NRW abgegeben. Die Voraussetzungen sind in § 67 Abs. 3 BauG NRW geregelt. Danach kann die Gemeinde die Erklärung nach Abs. 1S. 1 Nr. 3 unter anderem abgeben, weil sie aus bestimmten Gründen die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens für erforderlich hält. Die Gemeinde hat die Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen und dabei den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie das Gleichbehandlungsgebot zu beachten.
Als Begründung kann die dargestellte künftige Rechtslage, insbesondere die drohende formelle Rechtswidrigkeit des Vorhabens angeführt werden. Außerdem kann darauf hingewiesen werden, dass die Durchführung des Genehmigungsverfahrens der Gefahr einer möglichen Stilllegung des
Bauvorhabens vorbeugt und so letztlich auch dem Schutz der Bauherrin oder des Bauherrn dient.
Erklärt die Gemeinde, dass das Genehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, hat sie der Bauherrin oder dem Bauherrn mit der Erklärung die Bauvorlagen zurückzureichen, falls die Bauherrin oder der Bauherr bei der Vorlage nicht ausdrücklich bestimmt hat, dass sie im Falle der Erklärung
der Gemeinde nach § 67 Abs. 1 Nr. 3 BauG NRW als Bauantrag zu behandeln sind. Die Gemeinde leitet dann die Bauvorlagen zusammen mit ihrer Stellungnahme an die untere Bauaufsichtsbehörde weiter; § 72 Abs. 1S. 3 BauO NRW ist nicht anzuwenden.
Da insbesondere bei den meisten Wohnbauvorhaben nicht mehr damit zu rechnen sein dürfte, dass diese noch vor dem 28.12.2017 zum Abschluss gebracht werden können, wird eine Erklärung nach § 67 Abs. 1S. 1 Nr. 3 BauG NRW im Zweifel bereits jetzt zu empfehlen sein. Lediglich wenn
erkennbar ist, dass ein aktuell angezeigtes Vorhaben vor dem genannten Stichtag mit entsprechenden Anzeigen an die untere Bauaufsichtsbehörde tatsächlich abgeschlossen werden kann, kann von der Verweisung in das Genehmigungsverfahren noch abgesehen werden. Vorsorglich sollte die Bauherrin oder der Bauherr allerdings auch in diesen Fällen auf die o.g. Rechtslage ausdrücklich hingewiesen werden. Gleiches gilt für Vorhaben, die bereits vor einiger Zeit angezeigt, aber noch nicht begonnen wurden oder sich noch in der Ausführung befinden. (...)
... mit dieser Information wendet sich der Kreis Minden-Lübbecke derzeit an seine Gemeinden. Die Rechts- und Problemlage ist aber landesweit gleich. Nach dem 28. Dezember 2017 können auch begonnene freigestellte Bauvorhaben (v.a. Wohngebäude in Bebauungsplangebieten) nicht mehr legal weiter gebaut und abgeschlossen werden.
Bauherren und Architekten sollten sich unbedingt auf diese Frist einstellen. Wenn ein Bauvorhaben nicht sicher vor dem 28. Dezember fertiggestellt werden kann, sollte man von einer Realisierung im Freistellungsverfahren absehen und ein Genehmigungsverfahren durchführen.
Aber auch für die Bauvorhaben im Freistellungsverfahren gilt doch § 90 Abs. 5 BauO NRW (neu): "Vor dem 1. Oktober 2017 eingeleitete Verfahren sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes auf Antrag der Bauherrin oder des Bauherrn nach dem zuvor geltenden Recht fortzuführen, wenn die Bauvorlagen vollständig und ohne erhebliche Mängel eingereicht wurden (§ 72 Absatz 1 Satz 2)." Bedeutet das nicht, dass ein Bauvorhaben, für das vor dem 01.10.2017 im Freistellungsverfahren Bauvorlagen bei der Gemeinde eingereicht wurden und für das der Bauherr oder die Bauherrin einen Antrag nach § 90 Abs. 5 BauO NRW stellt, auch nach dem 28.12.2017 noch fertiggestellt werden darf, ohne formell illegal zu werden?

Re: BauO NRW § 67: Wegfall des Freistellungsverfahrens ab 28.12.2017

Verfasst: 02.05.2017, 13:44
von Röhnert
Der Gedanke ist gut, nur ist das "Freistellungsverfahren" kein "Verfahren", es heißt nur umgangssprachlich so.
Es handelt sich um Vorhaben, die unter bestimmten Umständen genehmigungsfrei sind.
Daher spricht einige dafür, dass die Übergangsregelung nicht greift.

Re: BauO NRW § 67: Wegfall des Freistellungsverfahrens ab 28.12.2017

Verfasst: 02.05.2017, 14:46
von al30@obk.de
Auch wenn in der BauO NRW (alt) das Wort "Freistellungsverfahren" nicht genannt wird, so regelt der § 67 doch die Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um eine Freistellung zu erhalten, und die weiteren Pflichten des Bauherrn vor, während und nach dem Freistellungsantrag. In § 13 BauPrüfVO wird geregelt, welche Bauvorlagen einzureichen sind. Rein materiell rechtlich handelt es sich damit m.E. um ein Verfahren (vgl. insoweit auch Wenzel in der Kommentierung von Gädtke u.a. zur BauO NRW (§ 67 Rn. 4 a ). Dies ist m.E. entscheidend, sodass die Übergangsregelung anwendbar sein dürfte. Im Übrigen sprachen auch die mit Ablauf des 31.12.2005 ausgelaufenen Verwaltungsvorschriften von einem "Verfahren" (etwa 67.13).

BauO NRW § 67: Wegfall des "Freistellungsverfahrens" ab 28.12.2017

Verfasst: 03.05.2017, 23:22
von Sebastian Veelken
Zu dem Thema nun auch ein paar Gedanken von mir, allerdings noch kein klares Ergebnis...
  • Auslegung nach dem Wortlaut
    Dem Wortlaut nach bezieht sich die Übergangsregelung in § 90 BauO 2016 nur auf "eingeleitete Verfahren".
    § 90 BauO 2016
    (...)
    (5) Vor dem 1. Oktober 2017 eingeleitete Verfahren sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes auf Antrag der Bauherrin oder des Bauherrn nach dem zuvor geltenden Recht fortzuführen, wenn die Bauvorlagen vollständig und ohne erhebliche Mängel eingereicht wurden (§ 72 Absatz 1 Satz 2).
    Die Genehmigungsfreistellung nach § 67 BauO 2000 ist nach dem Sprachgebrauch des Gesetzes jedenfalls kein Baugenehmigungsverfahren. Auch die einschränkende Voraussetzung des § 90 V, wonach die Bauvorlagen keine Zurückweisung erfordern dürfen, bezieht sich deutlich auf einen Bauantrag und das Baugenehmigungsverfahren, bei freigestellten Vorhaben wäre sie sinnlos.
    Man könnte sich allerdings auf den Standpunkt stellen, es handele sich zwar nicht um ein Baugenehmigungsverfahren, evtl, nicht einmal um ein Verwaltungsverfahren, aber doch immerhin um ein Verfahren im ursprünglichen Wortsinn. Denn § 67 BauO beschreibt unzweifelhaft einen bestimmten methodischen Ablauf zur Erreichung eines bestimmten Ziels und damit ein "Verfahren" im Wortsinne.
  • Sinn und Zweck
    Für eine einschränkende Auslegung des § 90 Abs. 5 BauO nur hinsichtlich Baugenehmigungsverfahren lässt sich dagegen allerdings der Sinn und Zweck der Vorschriften anführen: Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 16/12119, s. S. 81) enthielt überhaupt keine Übergangsregelung in Bezug auf eingeleitete Verfahren. Diese Regelung ist erst auf Beschluss Fachausschusses aufgenommen worden (LT-Drs. 16/13706)
    Zur Begründung heißt es dort (s. 153)
    Zu Buchstabe b):
    Bauherrinnen und Bauherren, die einen ordnungsgemäßen Bauantrag einreichen, dürfen erwarten, dass dieser innerhalb angemessener Frist beschieden wird. Für den Fall, dass das nicht gelingen sollte, sollen sie nicht gezwungen sein, ihre Planung wegen geänderter Anforderungen
    zu ändern. Wegen der langen Frist bis zum Inkrafttreten kann die Wahlmöglichkeit zeitlich begrenzt werden.
    Diese Argumente sind auf die Genehmigungsfreistellung nach § 67 nicht direkt übertragbar. Andererseits lässt sich aber vertreten, dass ein Gesetzgeber, der dem Bauherrn die o.a. Risiken abnehmen möchte, es sicher erst recht nicht will, dass ein Bauherr, der im Vertrauen auf die bestehende Regelung mit seinem Vorhaben begonnen hat, mitten im Bauablauf durch eine Vorschriftenänderung zum Baustopp gezwungen wird. Dieses Ergebnis dürfte vor allem dann schwer anzunehmen sein, wenn es durch unvorhergesehene, evtl. vom Bauherrn auch nicht zu vertretende Ereignisse im Bauablauf zu Verzögerungen gekommen ist, die zur Fristüberschreitung führen. (Das passier nicht nur bei Flughäfen und Elbphilharmonien, sondern durch aus auch beim Eigenheimbau).

    Gegen diese Auslegung spricht allerdings das im Regierungsentwurf genannte Ziel der Streichung des § 67 - fraglich ist nur, wie bedeutsam diese Zielsetzung noch ist, nachdem ja gerade die Verfahrens-/Übergangsregelungen später noch verändert wurden.
    1. Regelungen zum Baugenehmigungsverfahren
    Die Vorschriften über das Baugenehmigungsverfahren werden insgesamt neu geordnet und gefasst.
    a) Das im früheren § 67 BauO NRW geregelte „Freistellungsverfahren“ entfällt.
    Das Verfahren hat sich in der Praxis nicht bewährt. Ziel der Landesbauordnung ist es, die Bürgerinnen und Bürger vor Gefahren zu be-
    wahren. Baugenehmigungsverfahren schützen präventiv zum einen die städtebauliche Ordnung, wie sie in den Bauleitplänen zum Ausdruck kommt, zum anderen die Bauherrinnen und Bauherren vor Fehlplanungen und den damit zum Teil erheblichen wirtschaftlichen Schäden sowie den Folgen gegebenenfalls erforderlichen ordnungsbehördlichen Einschreitens zu schützen. Diese Schutzgüter sind wichtiger als die Ersparnis von Genehmigungsgebühren. Hinzu kommt, dass die in der Vergangenheit in vielen Fällen vernachlässigte Errichtung barrierefreier Wohnungen zukünftig mit größerem Nachdruck überwacht werden soll; dieses Ziel wäre mit einer weitgehenden Genehmigungsfreistellung von Wohngebäuden nicht zu erreichen.
    Den Ausschussprotokollen konnte ich nicht entnehmen, dass über die Auswirkungen auf begonnene freigestellte Wohnbauvorhaben diskutiert worden wäre. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände hat zwar eine Übergangsregelung angeregt, sich jedoch nicht speziell zur Freistellung geäußert.
  • Umgang mit der Änderung auf Bauherren und Behördenseite bei begonnenen, aber noch nicht fertiggestellten Wohngebäuden
    Problematisch sind die o.a. Ergebnisse aus meiner Sicht nur für begonnene, aber zum 28.12.2017 noch nicht fertiggestellte Wohngebäude.
    Geht man von einer übergangslosen Abschaffung der Genehmigungsfreistellung nach § 67 aus, dann bleibt aus Sicht des Bauherrn nur die Bauantragstellung. Für die Zeit bis zur Entscheidung über den Bauantrag stehen sodann die Bauaufsichtsbehörden vor der Frage, ob sie angesichts der Rechtslage das Bauvorhaben stilllegen oder ob sie den Weiterbau tolerieren. Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Stilllegung sehe ich dabei nicht. Interessant scheinen mir v.a. die denkbaren Konstellationen, in denen jeweils nur kleine Arbeitsschritte bis zur nächsten bautechnischen Zäsur fehlen.

    In diesem Zeitraum steigt allerdings das Risiko für Bauherrn und Architekten beträchtlich an: Sollten sie zur "Zielgruppe der Abschaffung" gehören, dann müssen sie damit rechnen, dass ihre Verstöße nunmehr entdeckt werden und die Behebung erforderlich wird...

Re: Diskussion zu: BauO NRW § 67: Wegfall des "Freistellungsverfahrens" ab 28.12.2017

Verfasst: 04.05.2017, 09:42
von Zimelka
Zum Thema nachfolgender Auszug aus dem Protokoll zur Dienstbesprechung mit dem MBW aus 1995 - Umgang mit freigestellten, aber noch nicht fertiggestellten Vorhaben bei Änderung des Planungsrechtes:

~ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
Wie lange gilt die „Bindungswirkung“ für die Gemeinde, wenn sie die Monatsfrist hat verstrei
chen lassen oder erklärt hat, daß sie nicht die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens
wünscht?
Greifen die Vorschriften der §§ 14 und 15 BauGB, wenn z. B. nach Jahren mit der Realisie
rung des Vorhabens nicht begonnen worden ist?

Das Schweigen innerhalb der Monatsfrist, dass die genehmigungsfreie Errichtung eines
Wohngebäudes ermöglicht, entfaltet für die Gemeinde hinsichtlich ihrer bauleitplanerischen Absichten keinerlei Bindungswirkung.
Der Bauherr hat daraufzu achten, daß sich die rechtlichen Grundlagen für die Durchführung seines Bauvorhabens nicht ändern.
Ändert die Gemeinde den Bebauungsplan vor Fertigstellung des Bauvorhabens, so hat die
untere Bauaufsichtsbehörde im Hinblick auf das nunmehr formell und materiell rechtswidrige
Bauvorhaben zu prüfen, ob im Rahmen des ihr zukommenden Ermessens die Stillegung bzw.
der Abbruch des Bauwerks verfügt werden kann.
Diese Ermessensbetätigung kann im Extremfall auch zu dem Eregbnis führen, daß ein unverzüglich nach Ablauf der Monatsfrist begonnenes Bauvorhaben vollendet werden darf, weil das Interesse der Gemeinde an einer Überplanung des betroffenen Gemeindegebietes in der Abwägung mit den Interessen des Bauherrn ebenfalls dann gering zu bewerten sein dürfte, wenn sie es unterlassen hat, ihre Interessenn zuvor im dafür vorgesehenen Beteiligungungsverfahren geltend zu machen.
Der Bauherr, der nach Ablaufder der Monatsfrist lange Zeit wartet, bevor er mit der Ausführung des Vorhabens beginnt, trägt dagegen voll das Risiko einer Veränderung der rechtlichen Grundlagen für dein Bauvorhaben.