Kindertagesstätte, Kinderbetreuung und Baurecht

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Sebastian Veelken
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Kindertagesstätte, Kinderbetreuung und Baurecht

Beitrag von Sebastian Veelken »

Im Zuge des Ausbaus der Kinderbetreuung entstehen auch immer mehr private Kinderbetreuungen unterschiedlichen Umfangs und mit den verschiedensten Konzepten.
Die Zuständigkeiten im Sozialrecht, Gewerberecht und Baurecht gehen aber vielfach noch von den eher schematischen "alten" Konzepten aus, wonach sog. Einrichtungen überwiegend von mehr oder minder karitativen Trägern als Heime, Kidnergärten o.ä. betrieben werden und ansonsten einzelne Kinder in Pflegefamilien wohnen.
Die heutige Wirklichkeit sieht anders aus: Tagesmütter, Kinderhort, Kinderkrippe, Kleinkindergarten u.v.m. - die Bezeichnungen sind bunt.

I. Entgeltliche Kinderbetreuung im Sozialrecht

Nachtrag 07.03.2015: Die Rechtslage in diesem Punkt hat sich geändert, der Artikel wird deshalb in diesem Punkt überarbeitet.

II. Entgeltliche Kinderbetreuung im Gewerberecht

§ 6 GewO Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf (...) die Erziehung von Kindern gegen Entgelt, das Unterrichtswesen (...)
Weil man auch den Aufenthalt in einer Betreuungseinrichtung als Erziehung gegen Entgelt sehen kann, fühlen sich die Gewerbeaufsichtsbehörden schon mal schnell unzuständig - dieser Part wird nach ihrer Auffassung vom Landesjugendamt abgedeckt.
Demgegenüber wird dort mitunter argumentiert, dass die "Betreuung" in den entsprechenden Einrichtungen so schwach ausgestaltet ist, dass man gar nicht ernsthaft von Betreuung sprechen könne, sondern lediglich von Kinderverwahrung.
Damit geht der schwarze Peter zurück an die Gewerbeaufsicht...
Das kann im Ergebnis dazu führen, dass ausgerechnet der Betreiber einer Kinderbetreuung, der seine Leistungen "sub omni canone" anbietet, überhaupt nicht mehr behördlich überwacht wird - weder von der Gewerbeaufsicht ("Zuviel Erziehung") noch vom Landesjugendamt ("zuwenig Erziehung") überwacht wird,

III. Baurecht und Kinderbetreuung

Kindertagesstätten, Kinderheime und Kinderhorte sind typischerweise Sonderbauten i. S. v. § 54 BauO NRW. Dies belegt u. a. § 68 Abs. 1 S. 3 BauO, der für bestimmte Einrichtungen sogar das so.g umfassende Baugenehmigungsverfahren nach § 63 BauO anordnet:
§ 68 Abs. 1 S. 3 BauO:
Das vereinfachte Genehmigungsverfahren gilt nicht für die Errichtung und Änderung von (...)
  • 9. Sanatorien und Krankenhäusern, Entbindungs-, Säuglings-, Kinder- und Pflegeheimen,
  • 10. Kindergärten und -horten mit mehr als 2 Gruppen oder mit dem Aufenthalt für Kinder dienenden Räumen außerhalb des Erdgeschosses sowie Tageseinrichtungen für Behinderte und alte Menschen,
Es gibt in NRW keine Sonderbauvorschriften, die sich explizit mit Kindertagesstätten, Kindergärten oder ähnlichen Einrichtungen befassen.
Im Zuge des geplanten Ausbaus der Betreuung für Kinder unter drei Jahren wird man sich im Baugenehmigungsverfahren künftig noch stärker mit der Frage befassen müssen, wie diese Kinder im Falle eines Brandes in Sicherheit gebracht werden können. Wenn schon bei Schulkindern im Vergleich zu Erwachsenen ein deutlich höherer Aufwand betrieben werden muss (vergleiche die Schulbaurichtlinie NRW und dort insbesondere die Erläuterungen zu Nr. 2), dann muss dies umso mehr für Einrichtungen gelten, in denen in größerer Zahl Kinder betreut werden, die z.B. selbst noch gar nicht laufen können.
Das Bauministerium des Landes NRW hat sich als oberste Bauaufsichtsbehörde in einer Dienstbesprechung 2011 mit dem Thema befasst, die Niederschrift dazu hat Erlasscharakter, sie ist hier bei der Architektenkammer verfügbar (TOP 4).
Bei einer Betreuung von bis zu fünf fremden Kindern durch eine oder zwei Personen in der bestehenden eigenen Wohnung ist demnach aufgrund der Ähnlichkeit zu einer üblichen Wohnnutzung nicht von einer genehmigungsbedürftigen Nutzungsänderung auszugehen. Bei mehr als fünf fremden Kindern sind erhöhte Anforderungen z.B. an den Brandschutz zu stellen, so dass eine Baugenehmigung beantragt werden muss.
Vergleichbare Nutzungen in eigens angemieteten - "unbewohnten" - Räumlichkeiten sind stets, also auch bei weniger Kindern baugenehmigungsbedürftig.
Materiell sind in jedem Fall die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten, die der Wahrung u.a. von Leben und Gesundheit dienen.
Derartige Regeln können sich z.B. aus den Unfallverhütungsvorschriften ergeben - nicht alle sind aber baurechtlich beachtlich. Eine Übersicht finden Sie unter dem Stichwort Kindertageseinrichtungen auf den Internetseiten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. Wie gesagt: Nicht alle sind baurechtlich beachtlich - aber wer auch den Versicherungsschutz für Arbeitnehmer und Kinder/Kunden benötigt, der muß sie ohnehin beachten.
Anfang 2012 wurden die Ausführungen zur baurechtlichen Seite durch die beiden zuständigen Ministerien in der Antwort auf eine Landtagsanfrage nochmals erläutert und bestätigt (LT-Vorl. 15/3732)

IV. Hygienevorschriften

Kinderbetreuungseinrichtungen sind üblicherweise auch Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne des Infektionsschutzegsetzes des Bundes, § 33IfSG. Daraus ergeben sich bestimmte Sorgfalts-, Melde- und Dokumentationspflichten. U.a. muß die Einrichtung sog. in einem sog. Hygieneplan innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festlegen.
In NRW werden seitens des LÖGD Muster-Hygienepläne erstellt, an denen man sich orientieren kann. Stichwort für die Suche: Muster-Hygieneplan Kinder- und Jugendeinrichtungen (hier gefunden bei LÖGD am 28.09.2008.
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