Terrassenüberdachung / Wintergarten Baugenehmigung nötig?

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Sebastian Veelken
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Terrassenüberdachung / Wintergarten Baugenehmigung nötig?

Beitrag von Sebastian Veelken »

Letzte Ãœberarbeitung: 30.11.2008
Ich will meine Terrasse überdachen und/oder einen Wintergarten errichten. Brauche ich dafür eine Baugenehmigung?
Diese Frage wird den Mitarbeitern in den Bauaufsichtsämtern sehr häufig gestellt.
Es scheint aber, dass sie noch viel häufiger nicht gestellt wird, sondern dass man gleich zur Tat schreitet.
Sehr häufig geht das auch irgendwie gut, es gibt aber auch zahlreiche Fälle, in denen sich der Nachbar an der Aktion stört und in denen Anzeige bei der Bauaufsichtsbehörde gestellt wird. Und dann rattern sie los, die Behördenmühlen.

Wer eine Terrasse überdachen will, errichtet bzw. ändert damit ein Gebäude im Sinne des Bauordnungsrechts. Dieses Gebäude ist in aller Regel planungsrechtlich relevant. Daraus ergeben sich drei wichtige Ansatzpunkte, die man zuvor überdenken sollte:
  1. Brauche ich eine Baugenehmigung?

    Diese Frage ist u.a. in den §§ 63 der Landesbauordnung NRW geregelt. Interessant ist insbesondere § 65 BauO NRW, der eine ganze Reihe baulicher Maßnahmen von der Pflicht zur vorherigen Einholung einer Baugenehmigung ausnimmt. Wichtiger Pferdefuss: Der Gesetzgeber hat zwar die vorherige Genehmigung gestrichen, aber nicht die ganzen materiellen Bauvorschriften. Das ergibt sich etwas versteckt aus § 65 Abs. 4 BauO:
    (4) Die Genehmigungsfreiheit entbindet nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die in diesem Gesetz, in Vorschriften aufgrund dieses Gesetzes oder in anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften gestellt werden.
    Um in dieser Frage für Ihr ganz konkretes Vorhaben sicherzugehen, empfiehlt sich eine Nachfrage bei der für Sie zuständigen Bauaufsichtsbehörde.
    Nach einer Änderung der Bauordnung bedürfen seit dem 11.11.2008 nach § 65 Abs. 1 Nr. 8 b
    Terrassenüberdachungen mit einer Fläche bis zu 30 m² und einer Tiefe bis zu 3 m
    keiner Baugenehmigung mehr.

    Mehr dazu...
    Leider ist die Sache noch nicht ausgestanden, denn wenn keine Baugenehmigung nötig ist, dann muss man den Rest (Punkte 2 und 3) allein prüfen - was für Laien m.E. kaum zu schaffen ist. Der Fall geht also noch weiter:
  2. Ist mein Vorhaben planungsrechtlich zulässig?

    Die planungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich im Geltungsbereich von Bebauungsplänen nach eben diesem Bebauungsplan. Hier finden sich sehr häufig Regelungen über die überbaubare Grundstücksfläche u.v.m. Alle diese Regelungen sind einzuhalten.
    Mehr dazu einstweilen bei dem vergleichbaren Thema des Gartenhauses
    Erfahrungsgemäß wird die überbaubare Grundstücksfläche eines Bebauungsplanes bereits durch den Hauptbaukörper mehr oder minder vollständig ausgeschöpft. Nur selten (z.B. bei vorhandenem Altbestand aus der Zeit vor dem B-Plan) ist im eigentlichen Baufenster noch genügend Raum für einen Anbau in Gestalt eines Wintergartens oder einer Terrassenüberdachung. Darüber hinaus ist eine Bebauung dann unzulässig.
    Wenn Ihr Vorhaben den Vorgaben des Bebauungsplanes nicht entspricht, können Sie dafür u.U. eine Ausnahme oder Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes beantragen. Ein solcher Antrag ist auch erforderlich, wenn das Vorhaben an sich baugenehmigungsfrei ist (vgl. § 74 a BauO NRW).
    Besser sieht es in den Bereichen innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils aus, wenn es keinen Bebauungsplan gibt und wenn auf den Nachbarbgrundstücken schon vergleichbare Anbauten vorhanden sind. Dann richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 des Baugesetzbuches des Bundes. Das Vorhaben muß sich u.a. nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, "einfügen". Das ist unter den beschriebenen Voruassetzungen meist gegeben.
  3. Entspricht die Maßnahme dem öffentlichen Baurecht und dem sonstigen öffentlichen Recht?

    Egal ob eine Maßnahme genehmigungspflichtig oder genehmigungsfrei ist - sie muß aus den oben beschriebenen Gründen auf jeden Fall allen inhaltlichen Anforderungen der Landesbauordnung entsprechen. Die Genehmigungsfreiheit bezieht sich nur auf die Frage, ob das vorher durch die Bauaufsicht geprüft wird - oder nachher auf Beschwerde des Nachbarn oder bei Ortsbesichtigungen durch Bauontrolleure. Genehmigungsfreiheit ist also nicht Baurechtsfreiheit.
    Zu diesen Vorschriften gehören z. B. die Regelungen über
    • Abstandflächen (Abstand des Gebäudes von der Nachbargrenze)
    • Brandschutz
    • statische Anforderungen
    • zugelassene Baustoffe
    Damit wird dem Bauherrn aus meiner Sicht sehr viel Verantwortung für sein Vorhaben übertragen.Speziell die Regelungen über die Abstandflächen sind eine Wissenschaft für sich. Mein persönlicher Rat:
    Ich kann nur jedem Laien dringend davon abraten, die Verantwortung für die Einhaltung des Baurechts, insbesondere des § 6 BauO selbst übernehmen zu wollen. Nach meiner Erfahrung ist auch ein akademisch und/oder technisch gebildeter Durchschnittsbürger mit einer solchen Prüfung völlig überfordert und hat keine Chance, alle Vorschriften einzuhalten. Wer baurechtskonform bauen will, dem kann man nur dringend empfehlen, sich fachkundigen Rat einzuholen.
    Solchen Rat bekommen sie z.B. in der Bauberatung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde - oder natürlich bei einem Architekten bzw. sonstigen Bauvorlageberechtigten.
    Die Alternative: Sie gehen das Risiko eben ein und finden sich damit ab, Ihren Wintergarten notfalls nachzubessern oder ganz abzubauen.
Der Wintergarten steht schon...

Mehr zum Umgang mit ungenehmigten Baumaßnahmen etc. an anderer Stelle in diesem Forum.
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