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BauO §§ 6 und 70: DL-RL-Gesetz NRW

Verfasst: 08.07.2009, 18:36
von b052c
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie (DLR) soll zukünftig europäischen Dienstleistern erleichtern, grenzüberschreitende Dienstleistungen zu erbringen bzw. von ihrem Recht auf Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen zu können. Die Richtlinie sieht u.a. vor, dass das gesamte dienstleistungsbezogene Recht der Mitgliedstaaten daraufhin zu überprüfen ist, inwieweit es „einfach genug“ ist oder ob es in Widerspruch zu bestimmten Bestimmungen der Richtlinie steht. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bis zum 28.12.2009 ihre Normen entsprechend anzupassen.
In Nordrhein-Westfalen wurde das gesamte Landesrecht auf die Vereinbarkeit mit der DLR überprüft. Die sich hieraus ergebenden Gesetzesänderungen werden überwiegend mit dem Entwurf eines „DL-RL-Gesetzes NRW“ vollzogen. Art. 2 des DL-RL-Gesetzes NRW enthält die erforderlichen Änderungen der Landesbauordnung. Auf „Baunormen“ und sogenannte „Jedermann-Vorschriften“ findet die DLR nach ihrem Erwägungsgrund Nr. 9 keine Anwendung. Für den Bereich des öffentlichen Baurechts bedeutet dies, dass in den Anwendungsbereich der Richtlinie nur solche Vorschriften der Landesbauordnung fallen, die die Aufnahme oder Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten durch Personen oder Stellen regeln (z.B. Planungs-, Entwurfs-, Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungstätigkeiten) und die die Aufnahme oder Ausübung solcher Tätigkeiten von Anerkennungsvoraussetzungen, Anerkennungsverfahren oder Anforderungen an Personen oder Stellen abhängig machen. Folglich sieht der Gesetzentwurf im Wesentlichen eine Änderung des § 70 Bauvorlageberechtigung) BauO NRW vor. Ebenfalls geändert wird – auf Grund eines gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens – die Regelung zu § 23 BauO NRW (Nachweis der Verwendbarkeit von Bauprodukten im Einzelfall). Eine weitere Änderung auf Grund der DLR betrifft § 28 BauO NRW (Prüf-, Zertifizierungs- und Überwachungsstellen).
Das vorliegende Änderungsgesetz soll auch dazu genutzt werden, um auf die jüngere Rechtsprechung des OVG Münster zum Abstandflächenrecht (§ 6 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 BauO NRW) zu reagieren. Dementsprechend enthält der Gesetzentwurf einen Vorschlag zur Neufassung des § 6 Abs. 7 Satz 1 BauO NRW.

Auszug aus dem Artikel 2 des Referentenentwurfs vom 03.06.2009:

1. § 6 Absatz 7 Satz 1 wird wie folgt neu gefasst:
"Bei der Bemessung der Abstandsfläche bleiben außer Betracht, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vor die Außenwand vortreten,
1. das Erdgeschoss erschließende Hauseingangstreppen und ihre Überdachungen, wenn sie von den gegenüberliegenden Nachbargrenzen mindestens 1,50 m entfernt sind,
2. untergeordnete Bauteile wie Gesimse, Dachvorsprünge und Terrassenüberdachungen, wenn sie von den gegenüberliegenden Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt sind, und
3. Vorbauten wie Erker, Balkone, Altane, Treppenräume und Aufzugsschächte, wenn sie insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen und sie von den gegenüberliegenden Nachbargrenzen mindestens 3 m entfernt sind."

BauO § 6 und DL-RL-Gesetz NRW

Verfasst: 29.07.2009, 23:10
von Sebastian Veelken
Vielen Dank für den Hinweis!
Leider habe ich bislang noch keine öffentlich verfügbare Version des Referentenentwurfes gefunden, so dass er hier weiterhin nicht komplett verknüpft werden kann.

DL-RL-Gesetz NRW: Gesetzentwurf liegt vor

Verfasst: 04.09.2009, 09:45
von Sebastian Veelken
Der Gesetzentwurf zum DL-RL-Gesetz ist als LT-Drucksache 14/9738 beim Landtag NRW verfügbar:
zum Beratungsvorgang
Voller Name:
Gesetz zur Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie im Rahmen der Normenprüfung in Nordrhein-Westfalen und zur Änderung weiterer Vorschriften (DL-RL-Gesetz NRW)

Wie bereits angekündigt, enthält der Entwurf Änderungen bei § 6 Abs. 7 BauO NRW.


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Gesetzentwurf hat geschrieben:1. § 6 Absatz 7 Satz 1 wird wie folgt neu
gefasst:
„Bei der Bemessung der Abstandfläche bleiben außer Betracht, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vor die Außenwand vortreten,
1. das Erdgeschoss erschließende Hauseingangstreppen und ihre Überdachungen, wenn sie von den gegenüberliegenden
Nachbargrenzen mindestens 1,50 m entfernt sind,
2. untergeordnete Bauteile wie Gesimse, Dachvorsprünge und Terrassenüberdachungen, wenn sie von den gegenüberliegenden
Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt sind, und
3. Vorbauten wie Erker, Balkone, Altane, Treppenräume und Aufzugsschächte, wenn sie insgesamt nicht mehr als ein Drittel
der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen und sie von den gegenüberliegenden Nachbargrenzen mindestens 3 m entfernt sind.“
Änderungen zu §§ 23, 28, 70, 88 und 91 BauO nicht ausgewertet!
Begründung hat geschrieben:Zu Artikel 2 (Landesbauordnung)
Zur Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) sind Änderungen einiger Vorschriften der Landesbauordnung erforderlich. Auf „Baunormen“ und sogenannte „Jedermann-Vorschriften“ findet die Dienstleistungsrichtlinie nach ihrem Erwägungsgrund
9 keine Anwendung. Für den Bereich des öffentliche Baurechts bedeutet dies, dass in den Anwendungsbereich der Richtlinie solche Vorschriften der Landesbauordnung fallen, die die Aufnahme oder Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten durch Personen
oder Stellen regeln (z.B. Planungs-, Entwurfs-, Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungstätigkeiten) und die die Aufnahme oder Ausübung solcher Tätigkeiten von Anerkennungsvoraussetzungen, Anerkennungsverfahren oder Anforderungen an Personen oder Stellen abhängig machen.
Neben den Änderungen zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie ist vor dem Hintergrund eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland, das sich auf einen Verstoß gegen die Richtlinie 90/396/EWG (Gasverbrauchsgeräterichtlinie) bezieht, auch die Änderung einer Vorschrift der Landesbauordnung erforderlich. Die diesbezügliche
Änderung des § 23 der Landesbauordnung ist länderübergreifend abgestimmt.
Mit der Änderung des § 6 Absatz 7 Landesbauordnung wird die Errichtung von Treppenräumen und Aufzugsschächten abstandflächenrechtlich erleichtert.
Im Einzelnen:
Zu 1.)
Nach den Vorschriften des § 6 BauO NRW sind vor Außenwänden eines oberirdischen Gebäudes Abstandflächen einzuhalten. Da zu den Außenwänden eines Gebäudes alle Gebäudeteile, außer Fußböden und Dächer, gehören, lösen alle vor eine Außenwand vorspringenden Gebäuteile Abstandflächen aus. Nach § 6 Absatz 7 BauO NRW werden Bauteile eines Gebäudes abstandflächenrechtlich privilegiert, soweit sie nicht mehr als 1,50 m vor eine Außenwand vortreten und sie zu Nachbargrenzen
einen Mindestabstand einhalten. Nach Rechtsprechung des OVG NRW ermöglicht § 6 Absatz 7 es aber nicht, die Abstandflächen im begrenzten Umfang generell für die Ausdehnung von Gebäuden in Anspruch zu nehmen, sondern nur für untergeordnete Gebäudeteile, die aus funktionalen oder gestalterischen Gründen aus Wänden hervorspringen, wie Erker und Balkone.
Der Gesetzgeber hatte mit Änderung des § 6 Absatz 1 BauO NRW in 2006 beabsichtigt, nicht unter § 6 Absatz 7 BauO NRW fallende Bauteile, wie Dachaufbauten oder vor die Vorder- oder Rückfront vorgebaute Treppenhäuser abstandflächenrechtlich zu privilegieren.
Solche Bauteile eines Gebäudes sollten keine seitlichen Abstandflächen mehr einhalten müssen, wenn ein Gebäude auf einer Nachbargrenze errichtet wird. Das OVG NRW hat in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass das Bauplanungsrecht
Vorrang vor der Anwendung bauordnungsrechtlicher Abstandbestimmungen lediglich in folgenden Fällen einräumt:
- im Fall des Grenzanbaus, der ohnehin keine Abstandfläche auslösen kann oder
- im Fall der Errichtung eines Gebäudes mit einer Außenwand, die einen geringeren Abstand aufweisen muss, als dieses das Bauordnungsrecht nach einer Berechnung nach § 6 Absatz 5 und 6 BauO NRW 2006 vorgeben würde.

Im Übrigen stünde die Absicht des Gesetzgebers, Dachaufbauten oder vor die Vorder- oder Rückfront vorspringende Bauteile - wie Balkone oder vorgebaute Treppenhäuser - von der Berechnung der Abstandfläche freizustellen, nicht im Einklang mit der Systematik des § 6 BauO NRW 2006. Es werde außer Acht gelassen, dass § 6 Absatz 7 BauO NRW 2006 sich mit bestimmten vor die Außenwand vortretenden Vorbauten und untergeordneten Bauteilen befasst, die nur nach Maßgabe der Regelungen dieses Absatzes abstandflächenrechtlich privilegiert sind.
Um das ursprüngliche Ziel der Novellierung der Abstandflächenvorschriften in 2006 zu erreichen, ist es deshalb erforderlich, § 6 Absatz 7 BauO NRW zu ändern. Die beispielhafte Aufzählung von Vorbauten in Absatz 7 Nummer 3 wird um weitere Begriffe ergänzt. Neben Erkern und Balkonen sind nunmehr auch Altane, Treppenräume und Aufzugsschächte Vorbauten im Sinne dieser Vorschrift.
Treppenräume und Aufzugsschächte können als vorspringende Bauteile sich über die gesamte Höhe der Außenwand erstrecken. Damit wird dem öffentlichen Interesse, eine barrierefreie Nutzung von Gebäuden zu ermöglichen (z.B. durch die nachträgliche Errichtung von Aufzügen) bzw. die Sicherheit von Gebäuden zu erhöhen (z.B. durch Errichtung weiterer Treppenräume), Rechnung getragen. Da in solchen Gebäudeteilen keine Aufenthaltsräume errichtet werden dürfen, ist diese Regelung auch im Hinblick auf den Nachbarschutz vertretbar.
Die bauliche Unterordnung der in Nummer 3 aufgezählten Gebäudeteile ergibt sich in hinreichendem Maße aus der vorgeschriebenen Größenbeschränkung von maximal einem Drittel Breite und 1,5 m Tiefe der jeweiligen Außenwand. Da die neue Regelung auch Bauteile in unmittelbarer Nähe einer Nachbargrenze ermöglicht, die von der Geländeoberfläche über mehrere Geschosse bis zum oberen Abschluss der Wand reichen, ergibt sich eine Zulässigkeit wegen der damit für den Nachbarn verbundenen Nachteile vorbehaltlich der Beachtung des im Bauplanungsrecht verankerten Gebots der Rücksichtnahme.
Mit der Einführung des Worts „gegenüberliegend“ vor dem Wort Nachbargrenzen in Absatz 7 Nummer 1 – 3 wird sicher gestellt, dass untergeordnete Bauteile, Vorbauten, Wände, Dachterrassen und Altane keinen Abstand zu seitlichen Grundstücksgrenzen einhalten müssen.
Als gegenüberliegend ist dabei die Nachbargrenze anzusehen, die der Außenwand, vor die untergeordnete Bauteile treten, gegenüberliegt.
Sehr nett in diesem Zusammenhang fand ich die unheimlich erhellende Erläuterung zu einem Detail der dort geplanten Änderungen auf S. 37 der Drucksache:
Als gegenüberliegend ist dabei die Nachbargrenze anzusehen, die der Außenwand, vor die untergeordnete Bauteile treten, gegenüberliegt.
(Hervorhebungen von mir)
Ach wat! :roll:

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Nachtrag 04.01.2010:
Die Änderung ist mit ihrer Bekanntmachung im GVBl. zum 28.12.2009 in Kraft getreten. Weiter geht es bei den Vorschriftenänderungen...