AVerwGebO - Ergänzung bei TS 2.4.1.1 ff.

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Sebastian Veelken
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AVerwGebO - Ergänzung bei TS 2.4.1.1 ff.

Beitrag von Sebastian Veelken »

Im Gesetz- und Verordnungsblatt wird eine Änderung der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung bekanntgemacht, mit der das Bauministerium des Landes NRW auf eine Entscheidung des OVG NRW reagiert.
Kernpunkt ist die nunmehr erforderliche gebührenmäßige Differenzierung bei "gemischten" baulichen Anlagen, also solchen, die teils Sonderbau sind und teilweise nicht.
GVBl. Nr. 21 vom 23.9.2011, S. 467 ff.
Bemerkenswerterweise soll die Änderung rückwirkend zum 30. September 2006(!) in Kraft treten.
Artikel 1
Die Allgemeine Verwaltungsgebührenordnung vom 3. Juli 2001 (GV. NRW. S. 262), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Juli 2011 (GV. NRW. S. 339), wird wie folgt geändert:

Im Allgemeinen Gebührentarif werden folgende Änderungen vorgenommen:
1. Nach der Tarifstelle 2.4.1.6 wird folgende ergänzende Regelung eingefügt:
„Ergänzende Regelung zu den Tarifstellen 2.4.1.1 bis 2.4.1.5:
Sind nur Teile von Gebäuden oder baulichen Anlagen Sonderbauten nach § 68 Absatz 1 Satz 1 oder 3 BauO NRW sind die Gebühren für die jeweiligen Teile getrennt zu berechnen.“

2. Nach der Tarifstelle 2.4.2.6 wird folgende ergänzende Regelung eingefügt:
„Ergänzende Regelung zu den Tarifstellen 2.4.2.1 bis 2.4.2.5:
Die ergänzende Regelung zu den Tarifstellen 2.4.1.1 bis 2.4.1.5 gilt entsprechend.“

Artikel 2
Diese Verordnung tritt mit Wirkung vom 30. September 2006 in Kraft.
Nötig geworden war diese Änderung, nachdem sich das OVG NRW in einem Beschluss vom 28.06.2011

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9 A 1225/08
mit der Baugenehmigungsgebühr bei sog. gemischt genutzten Gebäuden (teils Sonderbau, teils nicht) befasst hatte und mehrere Tarifstellen des AGT in ihrer bisherigen Fassung für nichtig gehalten hatte.

Aus dem Beschluss (R. 35 f.):
Die Beklagte durfte für die Erteilung der Baugenehmigung für die Änderung des Zwischengeschosses im Gebäude der Klägerin keine Gebühren erheben, weil es an einer Rechtsgrundlage hierfür fehlte. Die Tarifstellen (TS) 2.4.2.1 bis 2.4.2.3 des Allgemeinen Gebührentarifs (AGT) zur Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung NRW (AVerwGebO) (...) sowie die dort in Bezug genommenen TS 2.4.1.1 bis 2.4.1.3 AGT sind nichtig. Dementsprechend scheidet auch eine Verdreifachung der hiernach erhobenen Gebühr nach TS 2.8.1.1 a) AGT aus.
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Als Rechtsgrundlage für die Erhebung der Gebühr für den Umbau des Zwischengeschosses kommt allein eine der TS 2.4.2.1 bis 2.4.2.3 i. V. m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 des Gebührengesetzes NRW (GebG NRW) i. V. m. § 1 Abs. 1 AVerwGebO NRW in Betracht. Danach ist die Gebührenhöhe davon abhängig, welcher der TS 2.4.1.1 bis 2.4.1.3 AGT das Gebäude unterfällt, dessen Änderung genehmigt wird. Diese Tarifstellen differenzieren danach, ob es sich um ein Gebäude im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW (2.4.1.1), ein Gebäude im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, das ein (sogen. "kleiner") Sonderbau ist (2.4.2.2), oder (2.4.2.3) um ein Gebäude im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW (sogen. "großer Sonderbau") handelt. Diese unterschiedslos das gesamte Gebäude in den Blick nehmende - Betrachtung lässt unberücksichtigt, dass nach der Systematik der Bauordnung NRW für ein Gebäude bezogen auf unterschiedliche Gebäudeteile verschiedene Genehmigungsverfahren durchzuführen sein können (a). Diese Diskrepanz zwischen Bauordnungs- und Gebührenrecht begründet einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil bezogen auf die Gebührenhöhe ungleiche Sachverhalte ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund gleich behandelt werden (b).(wird ausgeführt)
Röhnert
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Re: AVerwGebO - Ergänzung bei TS 2.4.1.1 ff.

Beitrag von Röhnert »

Besonders bemerkenswert an diesem OVG-Urteil ist, dass die allgemeinen Ausführungen zur Unwirksamkeit verschiedener Tarifstellen gar nicht Gegenstand der Entscheidung waren, sondern nur ergänzend erläutert wurden.
Beklagt war nur die Abweichungsgebühr, die wiederum für rechtmäßig erklärt wurde...

Die rückwirkende Tarifänderung schließt die aus der Interpretation des OVG resultierende Rechtslücke.
Eine Rückwirkung ist erforderlich, da die Rechtsinterpretation des OVG eine häufig genutzte Gebührengrundlage angegriffen hat. Dabei wurde letztlich nur eine fehlende Sonderregelung kritisiert, durch die ungleiche Tatbestände gleich behandelt würden.
Diesem Zuviel an Gleichbehandlung (!) ist nun abgeholfen.

Eine Rückwirkung ist auch rechtmäßig, da niemand zum Zeitpunkt der Antragstellung davon ausgehen konnte, dass sein Antrag gebührenfrei sein wird. Es handelt sich also nicht um eine nachträgliche Belastung.

PS
Es bleibt abzuwarten, wie verbreitet tatsächlich gemischte Anlagen sind, für die dann teils ein vereinfachtes Verfahren und teils ein Vollverfahren geführt werden wird...
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