BauO § 51: Stellplatzbedarf für Studentenwohnheime

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Sebastian Veelken
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BauO § 51: Stellplatzbedarf für Studentenwohnheime

Beitrag von Sebastian Veelken »

Das VG Düsseldorf hat sich in einer Entscheidung vom 10.05.2012 mit der Berechnung des Stellplatzbedarfs für Studentenwohnheime befasst.

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4 K 5269/11
Kostenlos zu finden in NRWE, z.B. über eine Suche nach dem oben genannten Aktenzeichen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Kernpunkte (ab Absatz 44):
Ein Vorhaben wie das der Klägerin unterscheidet sich indes mit Blick auf seine Nutzungsart und den daraus resultierenden Stellplatzbedarf gerade nicht von üblichen Wohngebäuden. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW müssen bei der Errichtung von baulichen Anlagen, bei denen ein Zu und Abgangsverkehr zu erwarten ist, Stellplätze oder Garagen hergestellt werden, wenn und soweit unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des öffentlichen Personennahverkehrs zu erwarten ist, dass der Zu und Abgangsverkehr mittels Kraftfahrzeug erfolgt. Die Anlage zu Nr. 51.11 VV BauO NRW infolge Befristung zum 31. Dezember 2005 ausgelaufen beinhaltet Richtzahlen für den Stellplatzbedarf, die zwischen Wohngebäuden einerseits und Wohnheimen andererseits differenzieren, mithin die besondere Art der Nutzung berücksichtigen, weil sich daraus Anhaltspunkte für den zu erwartenden Kraftfahrzeugverkehr ergeben.

Die Richtzahlen sind auf gesicherter Erfahrungsgrundlage beruhende Anhaltspunkte bzw. als sachverständig festgestellte Erfahrungswerte von Bedeutung,
OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2009 10 A 793/07 , BauR 2009,1123.

Insoweit kommt den Richtzahlen auch nach dem Auslaufen der VV BauO NRW noch Bedeutung zu. Sie sind in Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes anzuwenden, wenn im Einzelfall keine ausreichenden Erkenntnisse zur Beurteilung des Stellplatzbedarfes vorliegen.

Unter dieser Voraussetzung sieht Nr. 1.1 der Anlage zu Nr. 51.11 zur ausgelaufenen VV zur BauO NRW für Gebäude mit Wohnungen 1 Stellplatz je Wohnung vor, Nr. 1.2 für Kinder und Jugendwohnheime 1 Stellplatz je 20 Plätze, Nr. 1.3 für Altenwohnheime, Altenheime, Wohnheime für Menschen mit Behinderungen 1 Stellplatz je 10 - 17 Plätze, jedoch mindestens 3 Stellplätze, und Nr. 1.4 für sonstige Wohnheime 1 Stellplatz je 25 Plätze, jedoch mindestens 2 Stellplätze vor. Die Richtzahlen sehen anders als in anderen Bundesländern und anders als die früheren Richtzahlentabellen

vgl. Ziff. 1.6 der Anlage zu Nr. 47.11 VV BauO NRW, Runderlass des Ministers für Landes und Stadtentwicklung vom 29. Januar 1984 V A 1.100/80 gültig ab 29. Dezember 1984, MBl. NRW 1984, Nr. 92 vom 28.12.1984, Seite 1954 ff.

sowie Ziff. 1.6 der Anlage zu Nr. 51.11 VV BauO NRW, Runderlass des Ministeriums für Bauen und Wohnen vom 24. Januar 1997 – II A 3 100/85 , gültig ab 10. März 1997, MBl. 1997, Nr. 13 vom, 10.03.1997, S. 190 ff.

keinen reduzierten speziellen Schlüssel für Studentenwohnheime (mehr) vor.
Ein Studentenwohnheim ist auch kein sonstiges Wohnheim im Sinne von Nr. 1.4 der Anlage zu Nr. 51.11 mit der Folge, dass es bauordnungsrechtlich nicht als Wohngebäude einzuordnen wäre. Ausgangspunkt für die gegenüber Wohngebäuden reduzierten notwendigen Stellplätze von Wohnheimen ist die Annahme, dass der Stellplatzbedarf der Heimbewohner gegenüber den Bewohnern eines üblichen Wohngebäudes schon aus tatsächlichen Gründen reduziert ist. Dies ergibt sich ohne weiteres für die Bewohner von Kinder und Jugendwohnheimen, da diese in der Regel keinen Führerschein haben. Nachvollziehbar ist der unterstellte reduzierte Bedarf auch für die Bewohner von Altenheimen und Heimen für Menschen mit Behinderungen, da diese aus körperlichen Gründen überwiegend auf das Führen eines PKW verzichten (müssen). Unabhängig von einer etwaigen planungsrechtlichen Einordnung als Wohngebäude handelt es sich bauordnungsrechtlich bei den genannten Einrichtungen nicht um Wohngebäude.

Anders liegt es indes völlig unabhängig von Widmung und Ausstattung bei Studentenwohnheimen. Deren Bewohner sind im Regelfall volljährig und im Besitz eines Führerscheines. Ihr Leben ist von dem ihrer berufstätigen Altersgenossen nicht zu unterscheiden. Ein unter Umständen nicht geregeltes oder geringes Einkommen hat nicht notwendig den Verzicht auf einen PKW zur Folge. Auch daraus, dass die Studenten aufgrund des Semestertickets zur unentgeltlichen Nutzung des ÖPNV berechtigt sind, folgt nicht zwingend die Inanspruchnahme des selben. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Studenten vielfach den PKW lediglich zur An und Rückreise zum Studienort benutzen, ihn dann aber vor Ort nicht mehr nutzen. Dann aber wird der Stellplatzbedarf nicht reduziert. Vor diesem Hintergrund dürfte die vormals vorhandene Richtzahl für Studentenwohnheime auch bewusst fallen gelassen worden sein.
Zuletzt geändert von Sebastian Veelken am 23.12.2012, 23:38, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Stellplatzzahl Altenheime auf den Hinweis von b052c hin korrigiert. Danke!
Hans-Werner Vonk

Re: BauO § 51: Stellplatzbedarf für Studentenwohnheime

Beitrag von Hans-Werner Vonk »

Frage: Was bedeutet denn der letzte Satz im vorletzten Absatz
"Unabhängig von einer etwaigen planungsrechtlichen Einordnung als Wohngebäude handelt es sich bauordnungrechtlich bei den genannten Einrichtungen nicht um Wohngebäude."
Wer kann mir helfen?
W. Vonk aus Kleve
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dirkbau
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Re: BauO § 51: Stellplatzbedarf für Studentenwohnheime

Beitrag von dirkbau »

Mit diesem Satz wird auf die Definitionen der verschiedenen Heim-Formen Bezug genommen, die in ihrer bauordnungsrechtlichen Betrachtung keine Wohngebäude sind. Ihnen fehlt in der Regel die Selbstbestimmung und Freiwilligkeit des Aufenthaltes, der aber Voraussetzung für das Verständnis des "Wohnens" ist.
... es bleibt spannend!
b052c

Re: BauO § 51: Stellplatzbedarf für Studentenwohnheime

Beitrag von b052c »

Statt: "Nr. 1.3 für Altenwohnheime, Altenheime, Wohnheime für Menschen mit Behinderungen 1 Stellplatz je 1017 Plätze" mus es hier heißen "... 1 Stellplatz je 10 - 17 Plätze"
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