Bestandsschutz im Baurecht: Was ist das?

Hier finden Sie in loser Folge kleinere Artikel zum öffentlichen Baurecht in Nordrhein-Westfalen.
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Sebastian Veelken
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Bestandsschutz im Baurecht: Was ist das?

Beitrag von Sebastian Veelken »

Im Öffentlichen Baurecht wird der Begriff des Bestandsschutzes immer gern angeführt - und das in überraschend unterschiedlichen Zusammenhängen. Allen Anwendungsfällen gemeinsam ist, dass der Bestandsschutz vor dem Hintergrund der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes zu sehen ist. Daraus ergeben sich zugleich Voraussetzungen und Beschränkungen: Der Bestandsschutz schützt ganz allgemein davor, dass dem Eigentümer sein rechtmäßig erworbenes Eigentum und die sich daraus ergebenden Nutzungsmöglichkeiten wieder entzogen werden.

Baurechtlicher Bestandsschutz wird in unterschiedlichen Fallgruppen relevant, die hier einmal kurz dargestellt werden sollen. Gemeinsam ist allen: Eine Vorschrift, die »den Bestandsschutz« abschließend regelt, gibt es weder im Bauplanungsrecht noch im Bauordnungsrecht. Vielmehr wird dem Rechtsgedanken des Bestandsschutzes jeweils in den verschiedenen Spezialvorschriften Rechnung getragen.
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen definiert den Begriff des Bestandsschutzes z.B. in seinem Beschluss vom 15.04.2009, Az. 10 B 189/09 folgendermaßen:
Bestandsschutz ist der durch Art. 14 Abs. 1 GG vermittelte Anspruch einer durch Genehmigung legalisierten oder während eines Mindestzeitraums materiell rechtmäßigen baulichen Substanz in ihrer von der Genehmigung bzw. Genehmigungsfähigkeit umfassten konkreten Nutzung, sich gegen spätere nachteilige Rechtsänderungen durchzusetzen. Bezugspunkt für den Bestandsschutz gegenüber Rechtsänderungen ist stets eine bauliche Anlage in ihrer jeweiligen Nutzung (...).
Fallgruppen: Nicht unbedingt in diese Kategorie geh ... onderfall…

Verlust des Bestandsschutzes im Planungsrecht

Solange ein genehmigtes Gebäude unverändert besteht, genießt es im Planungsrecht Bestandsschutz. Das heißt, das Gebäude ist und bleibt formell legal und muß z.B. nicht an eine geänderte Rechtslage angepaßt werden. Im hier maßgeblöichen Bereich können Änderungen der Rechtslage sich vor allem daraus ergeben, dass ein einschlägiger Bebauungsplan geändert wird oder dass sich das Baugesetzbuch dahingehend ändert bzw. geändert hat, dass für eine Neueerrichtung heute andere (meist strengere) Vorschriften gelten.
Ein solches bestandsgeschütztes Gebäude sollte man hegen und pflegen. Ein Verlust des Bestandsschutzes tritt hier immer ein, wenn das Gebäude so wesentlich geändert wird, dass es einer Neuerrichtung gleichkommt. Instandhaltungsmaßnahmen am bestehenden Gebäude berühren den Bestandsschutz hingegen nicht. Die Abgrenzung zwischen "Instandhaltung" einerseits und wesentlicher Änderung andererseits erfolgt über das Erfordernis einer statischen Neuberechnung.
Wenn eine Änderung so gravierend ist, dass die Statik des Gesamtgebäudes neu berechnet werden muß, dann ist sie wesentlich, also nicht vom Bestandschutz gedeckt.
Diese Betrachtungsweise bringt es mit sich, dass eine Neuerrichtung nach der Salami-Taktik unproblematisch ist, während die Durchführung in einem Zuge nicht erlaubt wird.
Die Errichtung neuer Gebäudeteile (wie z.B. Anbauten o.ä.) sind von diesem Bestandschutz nicht gedeckt (eine gegenteilige Rechtsprechung der 1990er Jahre wurde mittlerweile aufgegeben).

Nachträgliche Anforderungen an bestehende Gebäude (einfach so oder bei Änderungen)

Der zweite zentrale Punkt, an dem sich Bestandsschutz in der Praxis zeigt, ist der grundsätzliche Schutz des Eigentümers vor nachträglichen Anforderungen der Bauaufsichtsbehörde an sein bestehendes Gebäude. Dieser Grundsatz wird in der Landesbauordnung durch eine Regelung durchbrochen, nämlich § 58 Abs. 6 BauO 2018:
(6) Auch nach Erteilung einer Baugenehmigung nach § 74 oder einer Zustimmung nach § 79 können Anforderungen gestellt werden, um dabei nicht voraussehbare Gefahren oder unzumutbare Belästigungen von der Allgemeinheit oder denjenigen, die die bauliche Anlage benutzen, abzuwenden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn Anlagen ohne Genehmigung oder Zustimmung errichtet werden dürfen oder sie im Rahmen eines Verfahrens nach § 66 Absatz 5 als genehmigt gelten.

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