BauO NRW § 49 Abs. 1 Barrierefreiheit - Verhältnis zu § 39: Erlass

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Sebastian Veelken
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BauO NRW § 49 Abs. 1 Barrierefreiheit - Verhältnis zu § 39: Erlass

Beitrag von Sebastian Veelken »

Der nachfolgende Erlass vom 07.06.2019 ging per Mail an die Bauaufsichtsbehörden des Landes NRW, eine Veröffentlichung auf den Internetseiten des Ministeriums habe ich noch nicht gefunden.
Hinweise zur Barrierefreiheit
1) An die Oberen Bauaufsichtsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen
zur Weiterleitung an die Unteren Bauaufsichtsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen
Anforderungen des Bauordnungsrechtes an bauliche Anlagen nach § 49 Absatz 1 BauO NRW 2018
Verhältnis des § 39 Absatz 4 zu § 49 Absatz 1 BauO NRW 2018
Aus gegebenem Anlass gebe ich zu der Anwendung des § 49 Absatz 1 BauO NRW 2018 und zum Verhältnis des § 39 Absatz 4 zu § 49 Absatz 1 BauO NRW 2018 folgende Hinweise:

Gemäß § 49 Absatz 1 BauO NRW 2018 müssen in Gebäuden der Gebäudeklassen 3 bis 5 mit Wohnungen die Wohnungen barrierefrei und eingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein. Damit erklärt § 49 Absatz 1 nur einen Teil der Legaldefinition des § 2 Abs. 10 BauO NRW 2018 für anwendbar.

Die DIN 18040-2 differenziert innerhalb der Wohnung zwischen "barrierefrei nutzbaren Wohnungen" und dem höheren Standard "barrierefrei und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbaren Wohnungen".

In einer barrierefrei nutzbaren Wohnung wird nicht grundsätzlich von einer Rollstuhlnutzung ausgegangen. Wenn die Bedingungen für eine Rollstuhlnutzung erfüllt werden sollen, dann muss eine Wohnung nicht nur "barrierefrei", sondern "barrierefrei und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar" sein. Die Rollstuhlgerechtigkeit beinhaltet alles, was die Barrierefreiheit im Sinne der DIN 18040-2 auch fordert. Darüber hinaus sind bei der Rollstuhlgerechtigkeit noch weitere Anforderungen zu erfüllen. So wird z. B. durch die sog. "R-Anforderungen" der DIN 18040-2 dem höheren Raumbedarf eines "Norm-Rollstuhlfahrers" Rechnung getragen (die „R-Anforderungen“ wurden von der Einführung der DIN 18040-2 als Technische Baubestimmung in Nordrhein-Westfalen ausgenommen).

Die DIN 18040-2 wurde als Technische Baubestimmung mit Einschränkungen - siehe Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (VV TB NRW), Runderlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung 614 - 408 vom 7. Dezember 2018 - eingeführt und ist zu beachten. Die VV TB enthält an dieser Stelle Mindestvorgaben für den Bau von Wohnungen in Gebäuden der Gebäudeklasse 3 bis 5, um die Barrierefreiheit herzustellen.



§ 39 Absatz 4 BauO NRW sieht vor, dass in Gebäuden mit mehr als drei oberirdischen Geschossen Aufzüge in ausreichender Zahl vorhanden sein müssen. Für Gebäude mit weniger als drei oberirdischen Geschossen ergibt sich mithin keine Aufzugspflicht und kann auch nicht verlangt werden. § 39 Absatz 4 BauO NRW 2018 ist somit eine lex specialis zum Paragraphen über das barrierefreie Bauen (§ 49 Absatz 1 BauO NRW 2018).

In Gebäuden mit mehr als fünf oberirdischen Geschossen muss von diesen Aufzügen mindestens ein Aufzug Krankentragen, Rollstühle und Lasten aufnehmen können und Haltestellen in allen Geschossen haben. Haltestellen im obersten Geschoss und in den Kellergeschossen sind nicht erforderlich, wenn sie nur unter besonderen Schwierigkeiten hergestellt werden können.

Führt die Aufstockung oder Nutzungsänderung eines Gebäudes dazu, dass ein Aufzug errichtet werden müsste („mehr als drei oberirdische Geschosse“), kann hiervon abgesehen werden, wenn ein Aufzug nur unter besonderen Schwierigkeiten hergestellt werden kann.

Hierdurch soll ausdrücklich dem Nachverdichtungspotential im Zuge des Schaffens von Wohnraum Rechnung getragen werden.

In diesen Fällen kann dann auch die Ausnahme des § 49 Absatz 3 BauO NRW 2018 zu § 49 Absatz 1 BauO NRW 2018 greifen. Dies bedeutet, dass beispielsweise eine durch Nachverdichtung im Bestand (Aufstockung oder Dachgeschossausbau) neu entstehende Wohnung dann nicht die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 BauO NRW 2018 erfüllen muss, wenn die darunterliegenden Wohnungen einen erforderlichen Grundriss der neuen Wohnung nicht erlauben (die materiellen Anforderungen können dann infolge „ungünstiger vorhandener Bebauung nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden“).
Zur Barrierefreiheit gibt es aktuell auch eine Landtags-Anfrage 2616 (LT-Drs. 17/6534):
Kleine Anfrage 2616desAbgeordneten Volkan Baran SPDRechtssicherheit bei Barrierefreiheit im MietwohnungsbauMit Inkrafttreten der neuen Landesbauordnung (BauO NRW) zum01.01.2019haben sich ei-nige Änderungen in Bezug auf die Barrierefreiheitbei der Neuerrichtung von Miethäuserner-geben. Nach §39.4 sollen Neubauten mit mehr als dreioberirdischen Geschossen einen Aufzug ha-ben, der von allen Wohnungen des Hauses aus barrierefrei erreichbar ist. Gleichzeitig wird dies durch den§49.1 weiter eingeschränkt, indemfestgelegt ist, dassWoh-nungen in Gebäuden der Klassen drei bis fünfbarrierefrei zugänglich und eingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein müssen.Diese beiden Regelungen in Kombination lassen einen gewissen Interpretationsspielraum.Darauserwachsenin der Genehmigungspraxis der Kommunen und Kreise sehr unterschied-licheAuslegungen.Diese Unklarheit sorgt dafür, dassBauherren davon abgehaltenoder mindestens dabei be-hindert werden Mietwohnungen zu errichten. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in NRW, die investieren wollten sind bereits von dieser Unklarheit betroffen gewesen.Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:1.Plant die Landesregierung die bestehende Rechtsunsicherheit zu tilgen und durch eine präzisere Ausgestaltung eine solide rechtliche Basis für Bauherren in NRW zu schaffen?2.Was bedeutet die Formulierung"eingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar"in §49.1konk-ret?3.Ist der Landesregierung bekannt, ob innerhalb der einzelnen Kommunenund KreisedieAuslegung dieserRechtslage immer nach dem gleichen Muster geschieht?4.Müssen dreigeschossige Reihenhausbauten ebenfalls per Aufzug erschlossen werden?5.Plant die Landesregierung vor dem Hintergrund steigender Mieten,den Bau der Aufzüge finanziell zu fördernoder andere Maßnahmen, um die Errichtung von Mietwohnungen at-traktiver zu gestalten?
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