OVG NRW: Vollgeschoss und statische Verweisung

Aktuelle Urteile und Beschlüsse nordrhein-westfälischer bzw. deutscher Gerichte zum öffentlichen Baurecht. Schreiben können hier alle Mitglieder der Benutzergruppe AK bab.
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fiegen
AK bab
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OVG NRW: Vollgeschoss und statische Verweisung

Beitrag von fiegen »

Guten Tag,

im Hinblick auf das Baurechtsmodernisierungsgesetz sind bereits mehrere findige Bauvorlageberechtigte bei der Behörde aufgetaucht, die im Hinblick auf die neue Definition des Geschosses ab 2019 Chancen auf Nachverdichtungen in bestehenden Bebauungsplänen durch Aufstockung sehen. Insbesondere durch den Verzicht der Definition von Dach- und Staffelgeschossen bieten sich hier vermeintlich Chancen, bisher unzulässige Aufstockungen ab 2019 durchzuführen (insbesondere weil auf die Beschränkung auf das "oberste" Geschoss verzichtet wurde).

Das OVG hat sich meiner Kenntnis nach erstmalig mit der Frage der Statik bzw. Dynamik von Verweisungen eines Bebauungsplanes auf Landesrecht befasst (10 A 2937/15, 03.05.2018) und kommt zu dem Ergebnis, dass § 20 Abs. 1 BauNVO eine statische und keine dynamische Verweisung auf Bauordnungsrecht darstellt. Maßgebend ist grundsätzlich die Rechtslage, die dem Satzungsbeschluss, gegebenenfalls seiner Bekanntmachung zugrunde liegt. (vgl. Rdnr. 28):
§ 2 Abs. 5 BauO NRW 1970 ist einschlägig. § 18 BauNVO a.F. (heute § 20 Abs. 1 BauNVO) stellt eine statische und keine dynamische Verweisung auf Bauordnungsrecht dar. Maßgebend ist grundsätzlich die Rechtslage, die dem Satzungsbeschluss, gegebenenfalls seiner Bekanntmachung zugrunde liegt.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2009 – 7 A 2091/81 –; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen/ Schulte, § 2 BauO, Rn. 79 ff.

Für die Annahme, der Rat hätte über § 18 BauNVO a.F. bei Erlass des Bebauungsplans auf eine andere als die seinerzeit geltende Bauordnung verweisen wollen, ist nichts ersichtlich. Auch § 18 BauNVO a.F. gibt für ein solches Verständnis nichts her.
Vgl. Bad.-Württ. VGH., Urteil vom 15. Februar 1984 – 3 S 1279/83 –, BRS 42 Nr. 114; a.A. HessVGH, Beschluss vom 26. Juli 1984 – 4 TG 1669/84 –, BRS 42 Nr. 113; offen gelassen in OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Januar 2006 – 7 B 1685/05 – und vom 31. Januar 1992 – 11 B 3035/91 –.
Im Ergebnis müssen sich die Genehmigungsbehörden somit zukünftig intensiv rückwirkend mit der bauordnungsrechtlichen Vollgeschossdefinition in den verschiedenen Fassungen der Bauordung auseinander setzen, die planenden Behörden müssen erst ab 2019 prüfen, welche Auswirkungen die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosses unter Berücksichtigung der neuen Bauordnung hat.

Die Entscheidung ist hier zu finden:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg ... 80503.html
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