BauO § 73, BauGB § 212a: Aufschiebende Wirkung der Klage

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Sebastian Veelken
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BauO § 73, BauGB § 212a: Aufschiebende Wirkung der Klage

Beitrag von Sebastian Veelken »

  • Die Nachbarklage gegen eine isolierte Abweichung nach § 73 BauO NRW hat aufschiebende Wirkung.
    Dies gilt auch dann, wenn die isolierte Abweichung im Hinblick auf ein baugenehmigungsfreies Vorhaben erteilt wurde.
  • § 212a BauGB - Aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage - ist auf isolierte Abweichungen nicht anwendbar.
  • § 6 Abs. 14 S. 2 BauO enthält eine abschließende Regelung, § 73 BauO ist danaben nicht anwendbar.
  • Zur Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften aus § 73 BauO auf Gestattungen nach § 6 Abs. 14 BauO.
Beschluss des OVG NRW vom 29.05.2008 (veröffentlicht in NRWE),

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10 B 616/08
Rn. 23 ff. hat geschrieben: 2.1. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW kann - soweit in diesem Gesetz nichts anderes geregelt ist - die Genehmigungsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen dieses Gesetzes zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. § 73 Abs. 2 BauO NRW stellt klar, dass diese Regelung auch für die Zulassung von selbständigen bauordnungsrechtlichen Abweichungen für genehmigungsfreie bauliche Anlagen gilt.

Die Zulassung der selbständigen Abweichung nach § 73 BauO NRW ist bereits deshalb fehlerhaft, weil sie - nach der Erklärung des Antragsgegners in der Antragserwiderung - auf eine Gestattung nach § 6 Abs. 14 Satz 2 BauO NRW („können gestattet werden") bezogen ist. Hierbei kann offen bleiben, ob die Verfahrensvorschrift des § 73 Abs. 2 BauO NRW entsprechend auf die Gestattungen nach § 6 Abs. 13 bis 16 BauO NRW sowie die Erleichterungen nach § 54 Abs. 1 BauO NRW anwendbar ist. Jedenfalls hat eine Gestattung nach § 6 Abs. 14 Satz 2 BauO NRW materiell-rechtlich mit einer Abweichungsentscheidung nach § 73 BauO NRW "nichts zu tun". Die Sonderregelung des § 6 Abs. 14 BauO NRW enthält eine abschließende Bestimmung zur Abstandfläche für die nachträgliche Verblendung von Außenwänden zur Verbesserung des Wärmeschutzes. Kann eine geringere Tiefe der Abstandfläche unter den dort genannten Voraussetzungen zugelassen werden, erfüllt das Gebäude die bauaufsichtlichen Anforderungen. Darüber hinaus ist für eine Abweichung von den Abstandflächenvorschriften auf der Grundlage des § 73 Abs. 1 BauO NRW kein Raum.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Dezember 1998 - 10 B 2308/98 - und vom 1. Februar 2000 - 10 B 2092/99 -, BRS 63 Nr. 139 (jeweils zu § 6 Abs. 15 BauO NRW a.F.).

Das Interesse des Beigeladenen, zur Verbesserung des Wärmeschutzes seine Außenwände nachträglich zu verblenden, rechtfertigt keine Abweichung von § 6 BauO NRW. Denn dieser Belang findet seine abschließende Berücksichtigung im Rahmen der speziellen Regelung des § 6 Abs. 14 BauO NRW.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Oktober 1997 - 10 B 2249/97 - und vom 5. Oktober 1998 - 7 B 1850/98 -, BRS 60 Nr. 105 (jeweils zur abschließenden Berücksichtigung der Belange des § 6 Abs. 15 BauO NRW a.F.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 73 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW. Danach sind Abweichungen unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zuzulassen, wenn sie der Verwirklichung von Vorhaben zur Einsparung von Energie dienen. Diese Bestimmung bezieht sich wegen der abschließenden speziellen Regelung des § 6 Abs. 14 BauO NRW nicht auf die mit abstandrechtlichen Verstößen verbundene nachträgliche Bekleidung von Außenwänden zur Verbesserung des Wärmeschutzes.

Vgl. Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, a.a.O., § 73 Rn 21.
Rn. 33 ff hat geschrieben: 2.3. Das Vorhaben des Beigeladenen hält die auch für genehmigungsfreie Vorhaben zu wahrende Abstandfläche (§ 65 Abs. 4 BauO NRW) nicht ein. Das Vorhaben ist weder nach § 6 Abs. 14 Satz 1 BauO NRW zulässig noch kommt eine Gestattung nach § 6 Abs. 14 Satz 2 BauO NRW in Betracht. (...)
Sofern trotz festgesetzter geschlossener Bauweise Außenwände nicht grenzständig errichtet werden, sind die nach § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ff. BauO NRW zu bemessenden Abstandflächen einzuhalten. Das steht mit Planungsrecht im Einklang, soweit es hierfür eine planungsrechtliche Rechtfertigung gibt. Für die festgesetzte geschlossene Bauweise ist insoweit die Bestimmung des § 22 Abs. 3, 2. Halbsatz BauNVO maßgeblich. Diese entbindet ausdrücklich von der Verpflichtung des 1. Halbsatzes, Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand zu errichten, wenn die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert. Liegen diese Voraussetzungen vor, so besteht kraft Planungsrechts weder eine Pflicht noch ein Recht zum Verzicht auf einen seitlichen Grenzabstand. Welcher Abstand in diesem Fall einzuhalten ist, richtet sich nach dem jeweiligen Bauordnungsrecht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1995 - 4 B 197.94 -, BRS 57 Nr. 131.
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