BauO § 6: Rücksichtslosigkeit trotz Abstandflächen (OVG)

Aktuelle Urteile und Beschlüsse nordrhein-westfälischer bzw. deutscher Gerichte zum öffentlichen Baurecht. Schreiben können hier alle Mitglieder der Benutzergruppe AK bab.
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MB62

BauO § 6: Rücksichtslosigkeit trotz Abstandflächen (OVG)

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Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 09.02.2009

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10 B 1713/08
- abrufbar unter NRWE - seine Rechtsprechung zum Verhältnis der Abstandflächenvorschriften und dem planungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme geändert.

Die entscheidende Passage in Auszügen:
Das Verwaltungsgericht weist in dem angefochtenen Beschluss zu Recht darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen - entsprechend dieser Rechtsprechung - im Falle der Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandflächen grundsätzlich keinen Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme angenommen hat. Mit § 6 BauO NRW habe der Gesetzgeber insoweit regelmäßig abschließend festgelegt, welches Maß an Rücksichtnahme der Bauherr seinen Nachbarn schulde und wann diesem ein Vorhaben auf dem Nachbargrundstück unzumutbar sei.
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Diese Rechtsprechung bedarf - in Abstimmung mit dem ebenfalls für Baurecht zuständigen 7. Senat - nach der Novellierung des § 6 BauO NRW durch das 2. Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Dezember 2006 (GV.NRW. S. 614) und nach dessen Inkrafttreten am 28. Dezember 2006 der Modifizierung.
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Zwar hat sich der nordrhein-westfälische Gesetzgeber anders als andere Bundesländer gegen die Übernahme des § 6 Musterbauordnung 2002 und damit gegen eine Reduzierung des Abstandflächenrechts auf ein sicherheitsrelevantes Minimum entschieden.
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Dieses weitgehende Bekenntnis zur bisherigen Rechtsnatur des Abstandflächenrechts einschließlich seiner städtebaulichen Funktion darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber mit der Novelle das bisher geltende Abstandflächensystem überwiegend zu Lasten des Nachbarn geändert hat.
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Nach der neuen Rechtslage ist die Einhaltung der Abstandflächen nicht alleiniges Kriterium für die Beachtung des Rücksichtnahmegebots. Der bisherige Automatismus erweist sich dort als sachwidrig, wo es zu einer nachhaltigen Verkürzung der Abstandflächen durch die Novelle gekommen ist. In solchen Fällen ist eine eigenständige Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme angezeigt. Im übrigen kann die Einhaltung der Abstandflächen für die Wahrung des Gebots der Rücksichtnahme aussagekräftig sein.
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