Baulast, Nachbarliche Zustimmung, Grundbuch ...

Hier finden Sie in loser Folge kleinere Artikel zum öffentlichen Baurecht in Nordrhein-Westfalen.
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Sebastian Veelken
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Baulast, Nachbarliche Zustimmung, Grundbuch ...

Beitrag von Sebastian Veelken »

Baulast und nachbarliche Zustimmung beim Grundstückskauf
Auf dieser Seite geht es um
  • dauerhafte Ãœberraschungen außerhalb des Grundbuchs und um
  • eine verwirrende Notarklausel zur Einsichtnahme in das Baulastverzeichnis

Baulast und Nachbarzustimmung: Dauerhafte Belastungen außerhalb des Grundbuchs

Gehen Belastungen, die nicht im Grundbuch stehen, beim Grundstückskauf niemals auf den Erwerber über?
Zweimal falsch: Neben dem Grundbuch, das bei den Amtsgerichten geführt wird und über zivilrechtliche Eigentumsverhältnisse und Belastungen Auskunft gibt, gibt es in Nordrhein-Westfalen (und vielen anderen Bundesländern) noch das sog. Baulastverzeichnis. Das Baulastverzeichnis wird bei den Bauaufsichtsbehörden geführt. In ihm werden besondere baurechtliche Verpflichtungen aufgezeichnet, die ein Grundstück betreffen.
Häufigster Fall ist die sog. Abstandflächenbaulast. Letzten Endes werden damit Flächen auf dem belasteten Grundstück bestimmt, die der Eigentümer dieses Grundstücks nicht mehr für seine Bebauung oder seine Grenzabstände in Anspruch nehmen kann, weil sie bereits vom begünstigten Nachbargrundstück aus »belegt« sind. Die Baulast belastet also ein Grundstück und begünstigt ein anderes.

Außerdem wirkt auch eine gegenüber der Bauaufsichtsbehörde abgegebene nachbarliche Zustimmung zu einem Bauvorhaben ebenfalls gegenüber dem Rechtsnachfolger. Diese Zustimmung ist noch schlechter festzustellen, denn sie wird in keinem Verzeichnis eingetragen, sondern befindet sich bei den Bauakten zu einem Vorhaben auf einem anderen (angrenzenden) Grundstück. Diese Akten bekommt man als Kaufinteressent üblicherweise nicht zu sehen.
Unangenehmer Fall als Beispiel:
A erklärt, mit dem Bauvorhaben seines Nachbarn B einverstanden zu sein, obwohl das Haus des B zu nah an der Grundstücksgrenze steht und Fenster zur Grenze hin hat. Er unterschreibt auf den Bauvorlagen, die der Baugenehmigungsbehörde vorgelegt werden.
A verkauft sein Grundstück an C. Die Baugenehmigungsbehörde erteilt die Baugenehmigung.
C wundert sich nun über das Haus, das so nah an seinem Grundstück entsteht. Er kann aber nicht mehr Widerspruch gegen die Baugenehmigung einlegen.
Gern passiert so etwas übrigens bei Bauträgern, die mit ihrer Gesamtmaßnahme noch nicht ganz fertig sind und die ersten Häuser schnell veräußern wollen: Erst erteilen sie sich in ihrer Eigenschaft als Noch-Eigentümer der fertigen Gebäude selbst die Zustimmung zu ihren nachfolgenden, noch nicht errichteten Vorhaben und veräußern dann die ersten fertiggestellten an die Endabnehmer.
Und da die Baugenehmigung drei Jahre gilt, kann man von seinem Glück mitunter auch erst sehr spät erfahren.

»Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Notar das Baulastverzeichnis nicht eingesehen hat«

Die Vertragsparteien wurden vom Notar über folgende Punkte belehrt: (...)
dass beim zuständigen Bauordnungsamt ein Baulastenverzeichnis geführt wird, in welches Eintragungen bezüglich des Kaufgegenstandes vermerkt sein können und dass der Notar dieses nicht eingesehen hat
So frech habe ich es schon mehrfach in Entwürfen zu Grundstückskaufverträgen gelesen, vorzugsweise auf einem der letzten Plätze der zahlreichen Belehrungen und Hinweise.
Frech deshalb, weil es die eine Partei (den Veräußerer) typischerweise absolut nicht mehr interessiert, welche baurechtlichen Belastungen er auf seinem zu verkaufenden Grundstück liegen hat - er ist ja fertig damit. Und dem Käufer soll mit dieser Formulierung wohl suggeriert werden, die fehlende Einsichtnahme in das Baulastverzeichnis sei eine läßliche Sünde, die beide Parteien gleichermaßen beeinträchtigt. Das ist natürlich völlig falsch, denn der Veräußerer kennt die Belastungen seines Grundstücks ohnehin (er hat sie meist früher selbst bewilligt), so daß die Einsichtnahme für ihn völlig unwichtig ist.
Interessant wäre die Einsichtnahme also nur für den ahnungslosen Käufer - aber das will man ihm beim Notar so direkt dann wohl auch nicht sagen.
Fast noch perfider ist die Tarnung in der Formulierung
Die Parteien werden auf die Möglichkeit hingewiesen, das Baulastverzeichnis einzusehen.
Warum macht das nicht der Notar (und schreibt dann als Inhalt des Vertrages den Inhalt des Baulastverzeichnisses ab)?
Der Notar kassiert viel Geld für seine "Arbeit" und macht sich dann nicht einmal die Mühe , die absoluten Mindestroutinen ablaufen zu lassen. Oder ob das absichtlich geschieht, weil man Hausnotar des Bauträgers ist? Denn eigentlich müßte in 99% aller Fälle die Vertragsformulierung lauten "Das Baulastverzeichnis enthält keine Einträge" o.ä.
Mir würde das zu denken geben!

Was man aus dem Baulastverzeichnis erkennen kann

Im Baulastverzeichnis werden auf jeden Fall die oben beschriebenen Belastungen, also z.B. Beschränkungen der Bebaubarkeit, notiert. Darüber hinaus darf die Behörde auch sonstige Auflagen, Bedingungen etc. im Baulastverzeichnis vermerken (§ 83 Abs. 4 S. 2 BauO NRW).
Dazu gehört z. B. die Beschränkung, dass eine Wohnung ausschließlich durch den Betriebsleiter eines auf dem Grundstück gelegenenen Betriebs (Gewerbe, Landwirtschaft) benutzt werden darf. Eine solche Wohnung ist für beliebige Dritte praktisch wertlos!

Meine Ãœberlegungen:
  • Ohne aktuelle Auskunft aus dem Baulastverzeichnis würde ich kein Grundstück kaufen. Die Gebühr dafür ist gut angelegtes Geld - wenn sie nicht sowieso der Verkäufer übernimmt.
  • Mein Verkäufer müßte mir im Kaufvertrag zusichern, dass der Voreigentümer keinerlei nachbarliche Zustimmungen zu Bauvorhaben gegeben hat, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht realisiert wurden (und damit vor Ort erkennbar sind).
  • Ich würde auch mal nachsehen, ob das Gebäude in den Katasterplänen korrekt dargestellt ist. Für die ordnungsgemäße behördliche Einmessung haftet und zahlt gegenüber der Katatsterbehörde stets der jeweilige Eigentümer. Bei Neubauten oder Anbauten wird das gern mal vergessen.
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